Entscheidung im Nebel
Geschrieben von Jörg am .
Ein plötzlicher Nebel, ein unsicherer Pfad und die Frage: Wem kann ich vertrauen? Außerdem: Was Vertrauen mit Geduld zu tun hat.
Der Nebel kommt wie aus dem Nichts.
Eben noch blitzte der Bergsee unter uns in der Morgensonne, im nächsten Moment umhüllt uns eine undurchdringliche weiße Wand. Mein Herzschlag beschleunigt sich, als sich die Konturen des schmalen Bergpfades vor meinen Augen auflösen.
“Martin?” Meine Stimme klingt dünn, fast kindlich.
“Ich bin hier,” antwortet der Bergführer, seine Gestalt nur ein verschwommener Umriss vor mir. “Bleibt dicht bei mir und folgt mir ganz genau!”
Wir bewegen uns langsam vorwärts, eine Kette verängstigter Menschen ohne Orientierung. Dann höre ich Flüstern hinter mir. “…hätte uns nie hierher bringen dürfen… unverantwortlich…” Die Worte kriechen in mein Bewusstsein wie Gift. War es klug, Martin blind zu vertrauen? Der Pfad unter meinen Füßen scheint steiler zu werden. Mein Atem geht flacher, mein Nacken verkrampft sich.
“Ich kann den Weg kaum erkennen,” sage ich laut, meine Stimme brüchig vor Sorge. “Wir können ihm nicht einfach blind folgen!” ruft jemand hinter mir. Martin dreht sich um, sein Blick trifft meinen, fragend, wartend.
Die Stille dehnt sich. Etwas in mir rebelliert gegen die Angst. Martin führt mich seit Jahren sicher durch diese Berge. Dutzende Male. Ich kenne seine ruhige Sorgfalt, seine vorsichtige Planung. “Ich verstehe nicht, warum wir in diesen Nebel geraten sind,” sage ich laut genug, dass alle es hören, “aber ich kenne Martin.”
Meine Stimme wird fester. “Und ich gehe weiter.”
Bewusst entspanne ich meine verkrampften Schultern. Setze einen Fuß vor den anderen. Lausche auf das leise Knirschen von Martins Stiefeln auf dem Kies vor mir. Ich konzentriere mich auf seinen Rhythmus, passe meine Schritte an.
Ich habe mich entschieden, ihm zu vertrauen.
Irgendwann bemerke ich, dass Martin etwas summt. Eine alte Melodie, kaum hörbar. Sie beruhigt mich, gibt mir einen weiteren Anhaltspunkt im undurchsichtigen Weiß.
Ich muss lächeln.
Dann summe ich mit. Laut genug, dass die anderen mich hören.
Denkt doch nur an Hiob! Ihr habt alle schon gehört, wie geduldig er sein Leiden ertragen hat. Und ihr wisst, dass der Herr alles zu einem guten Ende führte. Er ist voller Barmherzigkeit und Liebe. Jakobus 5,11 (Hoffnung für alle)
Vertrauen ist leicht, wenn wir auf der Sonnenseite des Lebens baden.
Im Schatten kann es herausfordernd werden.
Und im Dunkeln, wenn wir nicht sehen und nicht verstehen, dann brauchen wir Geduld: Die Geduld, trotz aller Zweifel am Vertrauen festzuhalten.
Biblische Geduld bedeutet nicht, Gefühle zu unterdrücken oder Fragen zu verbieten. Sie ist kein stummes Ertragen. Sie ist “aktives Vertrauen trotz Unverständnis”.
Vielleicht können wir mit diesem Gedanken noch besser verstehen, warum die Geduld eine Frucht des Heiligen Geistes ist.