Veröffentlicht in Fabel.
Das Like-Problem: Echte Größe braucht keine Bestätigung
Geschrieben von Jörg am .
Der König der Tiere auf der Suche nach Bewunderung: Eine fesselnde Fabel über Stolz, Demut und die wahre Bedeutung von Größe.
Es war einmal ein Löwe mit einer prachtvollen Mähne.
Und dieser Löwe wusste, wer er war: Mit jedem seiner majestätischen Schritte verkündete er: Ich bin der König der Tiere. Ich bin die perfekte Mischung aus Kraft und Eleganz, geschaffen zum Herrschen.
An diesem Morgen jedoch nagt eine seltsame Unruhe an ihm. Wie jeden Tag beugt er sich über den spiegelnden Teich und bewundert seine prachtvolle Erscheinung. Doch heute fühlt sich etwas anders an. Ein unstillbares Verlangen nach Anerkennung brennt in seiner Brust. Sein Herz hungert nach der Ehrfurcht der anderen Tiere, dürstet nach ihrer Bewunderung. Das eigene Spiegelbild genügt ihm nicht länger - er muss gesehen werden.
Kurz darauf stolziert der Löwe auf der Suche nach Huldigung durch den Dschungel. Sein Ego genießt den Zuspruch, er ergötzt sich am scheuen Erkennen seiner Majestät und der demutvollen Ehrfurcht der Tiere.
Ein Tiger lässt diese Demut vermissen. Nachlässig geht er an dem Löwen vorbei und scheint ihn gar nicht wahrzunehmen. Das geht überhaupt nicht! Wütend schnappt der Löwe sich den Tiger, nimmt ihn in den Würgegriff und knurrt ihn an: „Weißt du nicht, wer ich bin? Weißt du nicht, wer der König des Dschungels ist?“
Der Tiger kann kaum sprechen. Zitternd und bebend keucht er: „Du, o Löwe, bist der Herrscher des Dschungels!“
Grob stößt der Löwe den Tiger ins Unterholz und knurrt: „Merk es dir fürs nächste Mal!“ Doch statt Befriedigung spürt er nur wachsenden Zorn.
In dieser Stimmung trifft er einen Bären, der gedankenverloren durch den Dschungel trottet und ihn beinahe umrennt. Wütend packt der Löwe ihn und nimmt auch den Bären in den Würgegriff: „Wer ist der König des Dschungels?“
Der Bär ist zu Tode erschrocken: „Du bist es, Löwe. Daran besteht kein Zweifel. Du bist der König des Dschungels.“ Missmutig ließ der Löwe den Bären laufen, nicht ohne ihm noch einen ordentlichen Tritt in den Hintern zu geben.
„Merk es dir für das nächste Mal!“
Mit jedem Schritt wächst seine Wut. Die Angst in den Augen des Bären hat seinen Hunger nach Anerkennung nur noch verstärkt.
Dann sieht er ihn: Ein Elefant, majestätisch wie ein Berg, der seelenruhig Blätter pflückt. Und IHN ignoriert!
Fuchsteufelswild baut sich der König vor dem Elefanten auf und fährt ihn mit einem wilden Knurren an: „Was fällt dir ein? Weißt du nicht, wer der König des Dschungels ist?“
Der Elefant gibt keine Antwort. In aller Seelenruhe kaut er weiter.
Schließlich schluckt er den letzten Bissen herunter. Langsam dreht er den Kopf. Wütend und angriffslustig steht der Löwe vor ihm. Der Elefant mustert ihn einen kurzen Augenblick. Dann schwingt sein Rüssel nach vorn, packt den Löwen, wirbelt ihn zweimal im Kreis und schleudert ihn mit Wucht gegen einen Baum.
Mühsam kommt der Löwe wieder auf die Beine.
Blutend und humpelnd wendet er sich an den Elefanten: „Hör mal, Mann, nur weil du die Antwort nicht kennst, ist das kein Grund, so grob zu werden!“
Diese Fabel erinnert mich an eine tiefe Wahrheit über uns Menschen:
Wann verhalten wir uns wie dieser Löwe? Öfter als uns lieb ist.
Da ist der Vorgesetzte, der in jeder Teambesprechung seine Position betonen muss. Der lieber Ideen unter den Tisch fallen lässt, als nur den Schatten einer anderen Autorität zu dulden. Da sind wir selbst, wenn wir unseren neuesten Post alle paar Minuten checken - hat schon jemand gelikt? Kommentiert? Unsere Großartigkeit bestätigt?
Der Löwe in dieser Fabel ist tatsächlich der König der Tiere. Seine Tragik liegt nicht in einer Lüge, sondern in seinem verzweifelten Bedürfnis, seine Königswürde ständig beweisen zu müssen.
Und je mehr er nach Bestätigung sucht, desto weniger königlich wird sein Verhalten.
Was wäre echte Demut im Beruf? Vielleicht bedeutet es, das Team erfolgreich zu machen, statt den eigenen Wert in den Vordergrund zu stellen. Anderen zuzuhören, statt selbst gehört zu werden. Vielleicht sogar: Kritik als Chance zu sehen, nicht als Bedrohung.
Auch wenn Gott selbst uns sagt, dass wir die “Krönung der Schöpfung” sind, Sein Ebenbild, sollen wir nicht vergessen:
Diese Aussage ist eine Aufforderung zur Demut, nicht zum Stolz.
Lass uns das mal prüfen:
Wie gehen wir mit Lob und Kritik um? Oft wie der Löwe: Wir lechzen nach Anerkennung und wehren uns gegen jede kritische Stimme. Dabei könnte echte Größe darin liegen, beides gelassen anzunehmen: Wir sind weder abhängig vom Lob noch zerstört von Kritik.
Ein kleines Experiment für die kommende Woche:
Verzichte bewusst darauf, deine Leistungen hervorzuheben. Wenn dir etwas gelingt, feiere still. Wenn andere erfolgreich sind, freue dich mit ihnen. Beobachte, wie sich das anfühlt - diese Art von Freiheit, nichts beweisen zu müssen.
Schließlich sind wir Seine Kinder.
Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Markus 10,45 (Einheitsübersetzung)