Lebendiges Wasser, oder: Eine Wurzelbehandlung der besonderen Art

Jesus erzählt vom lebendigen Wasser und die Samariterin ist begeistert. "Nie mehr Durst?", das ist zu schön, um wahr zu sein. Jesus lächelt, doch dann bohrt er plötzlich nach …

Gestern hatten wir es mit Johannes 14,6, heute nehmen wir Johannes 4,16 als zentralen Vers.

Wir sind mit Jesus und der Samariterin am Brunnen. Die beiden unterhalten sich und Jesus macht mächtig Eindruck auf die einsame, unglückliche und durstige Frau. Er spricht von dem Wasser des Lebens, das unaufhörlich und von endloser Dauer fließt.

Tage vorher hatte Jesus sich die Nacht im Gespräch mit Nikodemus um die Ohren geschlagen. Es scheint, der gebildete Jude und die einfache Frau vom Dorf haben etwas gemeinsam:

Sie können Jesus – zumindest zum Zeitpunkt des Gespräches – nicht richtig verstehen. Sie missverstehen wichtige Schlüsselbegriffe, die Jesus gebraucht.

Nikodemus steht bei der geistlichen Wiedergeburt auf dem Schlauch.

Und die Samariterin am Brunnen kann die wahre Bedeutung des lebendigen Wassers nicht fassen.

Noch nicht.

Noch nimmt sie an, Jesus spricht von physischem Wasser, wie wir es zum Hände-Waschen oder Tee-Kochen benutzen. Erfrischendes, klares Wasser, das den Durst des Körpers löscht.

Kein Wunder, dass sie begeistert ist. Ihr muss es vorkommen, als würde ihr Jesus mit seinem Reden vom lebendigen Wasser so etwas wie einen Wasserhahn versprechen. Sie schöpft Hoffnung, sieht Licht am Ende des Tunnels und stellt fest:

Herr, bitte gib mir von diesem Wasser! Dann werde ich nie mehr Durst haben und muss nicht mehr hierher kommen, um Wasser zu holen.
(Johannes 4,15; NGÜ)

Sie ist nicht gerade angesehen im Dorf. Allein muss sie zum Brunnen gehen und Wasser holen, immer wieder, jeden Tag und ohne Aussicht auf ein Ende. Eine echte Sisyphusarbeit. Mit großen Augen sieht sie Jesus an, vielleicht kann sie es gar nicht richtig fassen, was sie gerade gehört hat;

Wasser ohne Ende? Nie mehr Durst?

Versuch mal, dich in die Situation dieser Frau zu versetzen, emotional und mit all diesem Druck, dem sie ausgesetzt ist.

Dann Jesu Antwort:

"Geh und ruf deinen Mann!“, entgegnet Jesus. „Komm mit ihm hierher!“
(Johannes 4,16; NGÜ)

Warum sagt Jesus das? Eine komische Antwort, oder?

Die Frau bitte ihn um Wasser und er fordert sie auf, ihren Mann zu holen. Besonders merkwürdig ist diese Antwort, wenn wir bedenken, dass Jesus garantiert wußte, dass sie gar keinen Mann hat!

Das wär ja ungefähr so, als ob uns ein Obdachloser in der Fußgängerzone um einen Euro bittet und wir antworten: „Zeig mir mal ein Bild von deiner Wohnung.“ „Willst du mich veralbern?“, wäre wahrscheinlich noch die freundlichste Reaktion, die wir bekämen.

Bei Jesus ist anders.

Bei Jesus ist alles anders.

Wenn Jesus etwas sagt, dann sollten wir genau hinhören. Genau aufpassen, darüber nachdenken, darüber beten und es in unserem Geist wiederkäuen (wie es die Bibel an einer Stelle so schön ausdrückt.)

Denn der Unterschied zwischen unserer und Jesu Antwort besteht natürlich darin, dass unsere Antwort irgendwo im Bereich von skurril bis gemein angesiedelt wäre, während Jesu Antwort irgendwo im Bereich von – nun ja – der Liebe anzusiedeln ist

Jesus sieht über das Materielle hinaus. Er sieht über den physischen Durst der Frau hinaus und sieht in das Geistliche, die wirkliche Realität.

Natürlich kennt er die samaritanische Frau. Er kennt sie in- und auswendig. Er kennt auch ihr vorheriges Leben. Und er weiß von ihren vielen Beziehungen mit Männern. Doch während wir vielleicht die Nase rümpfen oder uns Mutmaßungen hingeben, wie so etwas denn wohl sein kann, sieht Jesu liebendes Herz etwas anderes:

Häufig wechselnde Beziehungen sind symptomatisch für ein dürstendes Herz.

Deshalb schaltet Jesus mit dieser Antwort auf “Angriff“.

Genug Geplänkel.

Ohne viel Federlesens geht er direkt zur Wurzel des Übels. Dort legt er die Axt an.

Er beginnt sozusagen eine Wurzelbehandlung …

Das tut weh.

Aber es hilft.

Morgen mehr …

Der Jesus-Journalist ✍️