Die Kirche des heiligen Schlamms
Zwei Männer sitzen im Schatten eines Feigenbaumes.
„Von Geburt an konnte ich nicht sehen!“, sagt der eine der beiden. „Ich wusste nicht, was Farben sind oder wie schön der Anblick einer Blume sein kann.“
„Ja, das ist furchtbar“, antwortet Bartimäus, „bei mir war es anders. Als Kind konnte ich sehen, doch es wurde immer schlechter, dann war es nur doch hell und dunkel und schließlich hörte auch das auf.“
Er schaut versonnen in Richtung der Stadt. Dann hebt er den Blick und pflückt ein Blatt vom Baum.
„Was habe ich gebetet, dass der HERR mir mein Augenlicht wiedergeben möchte. Und ich bin ihm so dankbar … sieh nur, dieses Blatt, das ich in den Händen halte, siehst du, wie fein es vom HERRN geschaffen ist?“
Er hält das Blatt gegen die Sonne und beide Männer betrachten die zarten Verästelungen wie auf einem Röntgenschirm.
„Ich habe früher schon ein solches Blatt in Händen gehalten“, sagt der Blindgeborene. „Damals habe ich mich gefragt, wie das sein kann: Oben ist es rau und unten weich behaart. Was tut Gott für Wunder schon bei einem kleinen Blatt …“
Er streicht mit dem Finger die Blattunterseite entlang. Seine sensiblen Finger spüren die feinen Härchen. Ein Schauer läuft ihm über den Rücken.
„Ich werde diesen Tag niemals vergessen!“
Er schaut den anderen an: „Jesus kommt in mein Leben und ich kann sehen! Nie werde ich vergessen, wie er mir den Schlamm auf die Augen geschmiert und mich dann zum Teich geschickt hat, dass ich mir das Gesicht wasche.“
Ein Lächeln huscht über sein Gesicht.
„Schlamm?“, fragt Bartimäus. „Bei mir gab es keinen Schlamm. Jesus hat mich einfach nur gefragt, was ich von ihm möchte und als ich sagte, dass ich sehen können möchte, da hat er gesagt: ‚Geh nur! Dein Glaube hat dich geheilt!‘. Und in dem Moment konnte ich sehen!“
Mit zusammengezogenen Augenbrauen sieht der Blindgeborene ihn an.
„Du meinst, er hat dir keinen Schlamm auf die Augen geschmiert? Mit seinem eigenen Speichel angerührt? Und du hast dir auch nicht das Gesicht im Teich Schiloach gewaschen?“ (Johannes 9,6-7).
„Nein, er hat einfach nur gesagt: ‚Dein Glaube hat dich geheilt!‘“ (Markus 11,52).
„Das kommt mir komisch vor“, rümpft der Blindgeborene die Nase, „ohne den Schlamm mit seinem Speichel, wie soll das funktionieren? Vielleicht kannst du gar nicht wirklich sehen.“
Bartimäus wird sauer: „Natürlich kann ich sehen. Und hör doch auf mit deinem Schlamm! Das ist doch Blödsinn! Wer hat denn so etwas je gehört, dass Jesus irgendwelchen Schlamm anrührt?“
Der Blindgeborene ist aufgestanden: „Ich habe das selbst erlebt! Jesus HAT Schlamm angerührt und jetzt kann ich sehen!“
Er bemerkt, dass er vor lauter Wut das Blatt zerdrückt hat. Ärgerlich schaut er auf seine Hand und wirft es zu Boden.
„Vielleicht bist du es, der in Wirklichkeit überhaupt nicht sehen kann! Geh lieber noch mal zum Teich und wasch dir das Gesicht …“
Die beiden Männer stehen sich giftig gegenüber.
…
Wir als Zuschauer wenden uns an dieser Stelle ratlos ab und schauen uns nur ohne Worte an.
Was sollen wir sagen?
Haben wir jetzt gerade die „Geburt“ der beiden ersten Denominationen miterlebt? Waren wir Zeugen, als sich die Geheilten Jesu soeben in die „Kirche des heiligen Schlamms“ und die „Wortwörtlichen Zeugen“ aufgespalten haben? Oder können die beiden Streithähne ihren Disput überwinden und sich auf das besinnen, auf das es wirklich ankommt?
(Johannes 13,34-35; NGÜ)
Er sagt, dass die Menschen uns an unserer Liebe erkennen WERDEN …
Wir können es also. Jesus geht davon aus!
Wir können unsere Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten überwinden und uns lieben. Wir müssen sie nicht totschweigen, doch wir dürfen sie nicht größer werden lassen als unsere Liebe zueinander.
In IHM, in Jesus, kann uns das gelingen.
SEINE Liebe, die auch in uns ist, macht es möglich.
✍️Der Jesus-Journalist